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Rechte und Pflichten der Versammlungsleitung

Auf Satzung oder parlamentarische Gepflogenheiten zurückgreifen

Das Gesetz enthält keine Regelungen zu den Rechten und Pflichten einer Versammlungsleitung. Zunächst können sich diese aus der Satzung oder einer Geschäftsordnung ergeben. Enthalten diese keine Aussagen zur Versammlungsleitung, ist auf das allgemeine Vereinsrecht und übliche parlamentarische Gepflogenheiten zurückzugreifen. 

Demnach lässt sich für besondere Situationen der folgende Orientierungsrahmen annehmen: 

Ablauf der Diskussion 

Die Versammlungsleitung wird den Tagesordnungspunkt aufrufen und dann die Erörterung/Diskussion eröffnen. Hierbei haben in der Regel die Rednerinnen und Redner nach ihrer Anmeldung, entweder durch Handzeichen oder Anmeldung in einer Rednerliste, die Gelegenheit, ihren Redebeitrag abzugeben.  

Begrenzung der Redezeit 

Ist bei einem Tagesordnungspunkt eine umfangreiche Diskussion zu erwarten, dann kann es sich anbieten, bereits vorab eine allgemeine Redezeit für alle Redner festzulegen. Die jedem Mitglied zuzugestehende Redezeit sollte nicht zu knapp bemessen sein, um die gefassten Beschlüsse nicht anfechtbar zu machen. Allgemein wird von einer angemessenen Redezeit von ca. 10 Minuten ausgegangen (vgl. Sauter/Schweyer/Waldner, Der eingetragene Verein, 21. Aufl. Rn. 186).  

Entziehung des Wortes 

Gegebenenfalls könnte eine Versammlungsleiterin oder ein Versammlungsleiter sich veranlasst sehen, einem Redner oder einer Rednerin das Wort zu entziehen. Dies ist denkbar bei Überschreiten der festgelegten Redezeit oder unsachlichen oder beleidigenden Ausführungen. Dem Entzug des Wortes sollte in jedem Fall eine Ermahnung und ein Hinweis auf den Entzug vorangehen. Sollte es dazu kommen, ist der Vorgang sorgfältig im Protokoll festzuhalten (Anlass für den Entzug, Ermahnung mit vorsorglichem Hinweis und Ausspruch des Entzuges; vgl. Sauter/Schweyer/Waldner, Der eingetragene Verein, 21. Aufl. Rn. 187). 

Verweisung des Versammlungsraums 

Bei schwerwiegenden Störungen der Versammlung kann es erforderlich werden, Versammlungsteilnehmer des Raumes zu verweisen, um einen ordnungsgemäßen Verlauf zu gewährleisten. Anlass hierfür können sein: übermäßige Zwischenrufe, sinnloses Lärmen, unsachliche Dauerreden oder Beleidigungen. Da es sich bei dem Verweis aus dem Versammlungsraum um einen schwerwiegenden Eingriff in die Mitgliedschaftsrechte handelt, der zu einem faktischen Stimmrechtsentzug führt, sollte von dieser Maßnahme nur als ultima ratio Gebrauch gemacht werden. Ihr sollte eine unmissverständliche Androhung vorausgehen. Das Recht des Saalverweises wird der Versammlungsleitung kraft des Hausrechts bzw. des Leitungsrechts zugestanden. Eine Beschlussfassung der Versammlung hierüber ist nicht erforderlich. Auch hier sollte eine sorgfältige Protokollierung des Vorgangs selbstverständlich sein (vgl. zum Ganzen: Sauter/Schweyer/Waldner, Der eingetragene Verein, 21. Aufl. Rn. 188; Reichert/Scheuch, Vereins- und Verbandsrecht, 15. Aufl. Kapitel 4 Rn. 824 ff). 

Ton- und Videoaufnahmen 

Private Ton- und Videoaufnahmen sind grundsätzlich nicht erlaubt. Sie setzen die Zustimmung der Versammlungsleitung und aller Versammlungsteilnehmerinnen und – teilnehmer voraus. Dagegen kann von Seiten des Vereins eine Aufzeichnung der Versammlung vorgenommen werden, zum Beispiel um die korrekte Protokollierung sicherzustellen. Die Versammlungsleitung hat die Teilnehmenden aber zu Beginn auf die Aufzeichnung ausdrücklich hinzuweisen und darauf aufmerksam zu machen, dass jeder Redner und jede Rednerin verlangen kann, dass während des Redebeitrags die Aufzeichnung unterbrochen wird. Ein Recht eines einzelnen Mitglieds, der Aufzeichnung insgesamt zu widersprechen, wird allgemein nicht angenommen (vgl. zum Ganzen: Sauter/Schweyer/Waldner, Der eingetragene Verein, 21. Aufl. Rn. 188a; Reichert/Scheuch, Vereins- und Verbandsrecht, 15. Aufl. Kapitel 4 Rn. 822 f.). 

Schluss der Debatte 

Die Versammlungsleitung hat nicht das Recht, den Schluss der Debatte zu bestimmen. Hält die Versammlungsleitung einen Tagesordnungspunkt für ausdiskutiert, stehen aber noch Wortmeldungen im Raum, dann hat darüber die Mitgliederversammlung zu befinden (vgl. Sauter/Schweyer/Waldner, Der eingetragene Verein, 21. Aufl. Rn. 189). Sie sollte bei der Entscheidung sorgfältig abwägen, da hierdurch die Mitgliedschaftsrechte beeinträchtigt werden können (vgl. Reichert/Scheuch, Vereins- und Verbandsrecht, 15. Aufl. Kapitel 4 Rn. 816 f.). 

Gut zu wissen:

Entscheidungen der Versammlungsleitung können nicht gerichtlich angefochten werden. Werden Mitglieder durch Entscheidungen der Versammlungsleitung in ihren Rechten beeinträchtigt oder verletzt, dann kann das dazu führen, dass die daraufhin gefassten Beschlüsse fehlerhaft sind. Die Frage, ob das Handeln der Versammlungsleitung rechtmäßig war oder nicht, ist dann im Rahmen der Anfechtung des gefassten Beschlusses gerichtlich zu überprüfen (vgl. Sauter/Schweyer/Waldner, Der eingetragene Verein, 21. Aufl. Rn. 194).