Mitbestimmung von Kindern und Jugendlichen
Einflussnahme der Vereinsjugend auf die kommunale Jugendhilfe/Politik
Zum Selbstverständis der kommunalen Sportjugendvertretung
Die Sportjugend ist auf allen Ebenen der zahlenmäßig größte Kinder- und Jugendverband. In Sportvereinen sind mehr junge Menschen organisiert als in allen anderen Zusammenschlüssen der Jugendarbeit, das gilt im Vergleich mit anderen Trägern der freien Jugendhilfe ebenso wie im Verhältnis zu Einrichtungen der öffentlichen Jugendhilfe, z. B. Jugendfreizeitheime unter kommunaler Trägerschaft. Diese zahlenmäßige Größe drückt sich allerdings nur selten in Präsenz und Einfluss im Rahmen kommunaler Jugendpolitik aus. Junge Menschen in Sportvereinen betrachten sich zu selten als Mitglieder eines starken Jugendverbandes und interessieren sich in erster Linie für das Ausüben einer Sportart. Aber auch genau diese Haltung wird ihnen von den Erwachsenen im Sportverein nahe gelegt, diese sind keine Vorbilder in Bezug auf das Einfordern von Rechten und auch die Erwachsenen verstehen sich nur zu selten als Mitglieder einer potenziell einflussreichen Sportbewegung. Die Einheitssportbewegung in der Bundesrepublik Deutschland tritt sehr unpolitisch auf, angesichts der Vielfalt von Interessen und politischen Überzeugungen innerhalb des deutschen Sportbundes ist es kaum zu erwarten, dass z. B. Konflikte mit einer jeweiligen Landes- oder Bundesregierung offen ausgetragen werden. Eine parteipolitische Neutralität wird gefordert und gleichzeitig sind einige der Entscheidungsträger der Sportbewegung Mitglieder in politischen Parteien.
Es ist unrealistisch zu erwarten, dass diese Personen ihre politischen Überzeugungen bei ihrer Arbeit im Sportverband ablegen. So kann es dazu kommen, dass auch die Interessenvertrete*innen des Sports aus Gründen der Parteidisziplin nicht laut genug einen sportjugendfeindlichen Beschluss bekämpfen.
Es wäre zwar notwendig, dass Interessenvertreter*innen des Sports auch Mitglied in einer politischen Partei sind, um in dieser Partei die Interessen des Sports und der Sportjugend zur Geltung zu verhelfen. Nur müsste es dann auch, in gravierenden Fragen der Sportjugendarbeit wie Benutzungsentgelte für kommunale Sportstätten oder Einrichtung von Spielstraßen oder dem Bau von Bolzplätzen, mehr parteiübergreifende Allianzen geben.
Kinder- und Jugendparlamente, Jugendringe, Kinder- und Jugendhilfeausschüsse werden nicht häufig genug von Vertreter/innen der Sportjugend besucht und viel zu selten tragen junge Menschen aus Sportvereinen Verantwortung in solchen Gremien. Das hängt sicher auch damit zusammen, dass solche Ausschüsse und Parlamente in ihren Arbeitsweisen nicht eng genug an den Interessen der Sportjugendlichen orientiert sind. Es handelt sich nicht immer um Formen der Partizipation, mit denen Jugendliche im Sportverein etwas anzufangen wissen. Das hat dann allerdings leider zur Folge, dass Interessen der jungen Sportler*innen nicht häufig genug auf die Tagesordnung von Parlamenten und Ausschüssen gelangen.
Welche Gremien der Sport(jugend)selbstverwaltung im Einzelfall die Interessen des Sports und der Vereinsjugenden auf der kommunalen Ebne wahrnehmen, hängt von der jeweiligen Struktur ab.
In einer kreisfreien Stadt wird die Sportjugend in den Vordergrund treten, aber sie wird nicht immer in der Lage sein, die besonderen Belange der Kinder- und Jugendarbeit im Stadtteil anzugehen. Da werden sinnvollerweise die Jugendwartinnen und Jugendwarte der im Stadtteil ansässigen Vereine die Interessenvertretung in einer Stadtteilkonferenz selbst wahrnehmen.
Gleiches gilt in Kreisen, in denen es keine Gemeindesportverbände/-jugenden gibt, in denen sich die Kreissportjugend nicht für alle Gemeinden zuständig fühlen kann/will. Im Kinder- und Jugendparlament einer solchen Gemeinde sollten möglichst Vertreter/innen vieler Jugendvorstände der Vereine vor Ort mitwirken.
Ziele und Arbeitsweisen kommunaler Kinder- und Jugendparlamente
Ausgelöst durch Symptome von Politik-/Politiker*innen-Verdrossenheit junger Menschen erleben direkte Beteiligungsformen vor Ort einen Boom. Es sind häufig die Jugendämter und Jugendhilfeausschüsse einer Stadt oder Gemeinde, die initiativ werden, um mehr Identifikation junger Menschen mit Kommunalpolitik zu erreichen. Partner der Zusammenarbeit sind häufiger Schulen als Jugendverbände. Jugendverbände sind anscheinend mehr mit der Entwicklung innerverbandlicher Demokratie und ansonsten mit der Umsetzung der Ziele ihres Verbandes befasst, als dass sie sich darüber hinaus kommunalpolitisch engagieren wollen. Eine Stadt- oder Gemeindesportjugend kümmert sich häufig sehr intensiv um die sportbezogenen Belange ihrer Mitglieder. Oft ist die Zeit der wenigen aktiven Jugendvertreter*innen begrenzt, so dass sie nicht auch noch in anderen Gremien mitarbeiten können und wollen. Das führt dann allerdings leider dazu, dass spezifische Sportjugendinteressen in Jugendparlamenten und Jugendgemeinderäten nicht ausreichend zur Sprache kommen.
Jugendparlamente sollen folgende Funktionen erfüllen:
Kinder und Jugendliche sollen durch die Mitarbeit in diesen Gremien an die politische Arbeit herangeführt und damit motiviert werden, sich auch im Erwachsenenalter politisch zu engagieren;
Junge Menschen sollen die Möglichkeit erhalten, ihre speziellen Interessen zu formulieren und in die Kommunalpolitik einzubringen;
Negative Einstellungen gegenüber der traditionellen Politik sollen abgebaut werden;
Stufen, Mindeststandards und Prüfsteine für eine gelungene Beteiligung junger Menschen sollen angewendet werden bezüglich der Ziele, Formen und Ergebnisse der Arbeit jugendgemäßer Beteiligungsmöglichkeiten auf kommunaler Ebene.
Kennzeichen der Arbeit von Jugendparlamenten und -gemeinderäten:
Jugendparlamente haben keine Entscheidungsbefugnisse. Es werden Forderungen aufgestellt oder Vorschläge unterbreitet, die dann von der/von dem anwesenden Bürgermeister*in oder deren*dessen Vertreter*in in den demokratisch legitimierten Gemeinderat eingebracht werden und dort beraten werden müssen. Nicht immer erhalten die Vorschläge aus dem Jugendparlament hier eine Mehrheit;
Jugendparlamente werden häufig auf Initiative Erwachsener eingerichtet. Sie sind daher sowohl inhaltlich als auch formal eng an herkömmlichen Politikformen orientiert. Formale Fragen und Geschäftsordnungsdebatten nehmen einen breiten Raum während der Sitzungen ein, dagegen werden wichtige Angelegenheiten oft ohne ausreichende Diskussion beschlossen, weil vielen der Jugendparlamentarier*innen das notwendige Hintergrundwissen fehlt. Erwachsene nehmen zu viel Redezeit ein. Der Ablauf der Sitzungen schränkt das Entstehen von Kreativität und Lebendigkeit ein, so dass Sitzungen oft als langweilig empfunden werden;
Die Beteiligung an Wahlen für Jugendparlamente ist häufig sehr gering. Werden die Wahlen in Schulen durchgeführt, dann ist die Beteiligung höher als wenn die Wahlen in Jugendhäusern oder Bezirksämtern durchgeführt werden. Wahlberechtigt und wählbar sind Kinder und Jugendliche je nach Satzung zwischen 10 und 17 Jahren oder 14 und 21 Jahren;
Gewählte Vertreter*innen sind nicht repräsentativ für die Jugend einer Stadt oder Gemeinde. Männliche Gymnasiasten sind deutlich überrepräsentiert, Kinder, Mädchen und Jugendliche nicht-deutscher Herkunft unterrepräsentiert;
Kinder und Jugendliche, die es eigentlich angehen müsste, interessieren sich zu wenig für die Arbeit der Jugendparlamente. Sie nehmen zu selten als Gäste der vorwiegend öffentlichen Sitzungen teil, geben ihren Vertreter*innen zu wenig Wünsche, Forderungen und Anregungen für die Sitzungen mit auf den Weg und wollen auch gar nicht über Sitzungsinhalte und -ergebnisse informiert werden;
Obwohl Jugendparlamente in Gemeindeordnungen kaum verankert sind, werden die Forderungen dieses Gremiums von den Stadt- und Gemeinderäten häufig sehr ernst genommen. Jugendparlamente erreichen z. B. den Ausbau von Fahrradwegen, die Sanierung von Sportstätten, Einrichtung von Disco-Nachtbussen, die Verbesserung der öffentlichen Beleuchtung und vieles mehr. Ihre Arbeit wird anerkannt, Vertreter*innen des Jugendparlaments werden manchmal auch als beratende Mitglieder in Kinder- und Jugendhilfeausschüsse einbezogen;
Jugendparlamente kosten Geld, das nicht immer in ausreichendem Maße vorhanden ist.
Fazit: Die Einrichtung von Kinder- und Jugendparlamenten muss gut überlegt werden. "Gut gemeint" bedeutet nicht immer auch "geeignet und hilfreich".
Folgende Bedenken und Probleme müssen bedacht werden:
Angesichts dessen, dass es fast ausschließlich Erwachsene sind, die Kinder- und Jugendparlamente initiieren, wäre es da nicht besser, abzuwarten bis aus der Kinder- und Jugendszene selbst der Bedarf für eine solche Form der Interessenvertretung reklamiert wird?
Werden Jugendparlamente von Jugendlichen tatsächlich als ernst gemeinte Angebote zur Partizipation angesehen oder angesichts häufig fehlender personeller und finanzieller Ausstattung und zu seltener Erfolgserlebnisse als Alibiveranstaltungen bewertet? Würden dadurch eventuell negative Einstellungen gegenüber Politik gefestigt?
Geraten vielleicht die passiven und nicht-engagierten Kinder und Jugendlichen aus dem Blickfeld öffentlichen Interesses, weil jetzt einer handvoll ausgewählter und nicht repräsentativer Jugendlicher die Möglichkeit zur Mitwirkung eingeräumt wird?
Ist es sinnvoll, Jugendparlamente über Schulen wählen zu lassen, wie kommen dabei die Interessen der Nicht-mehr-Schüler*innen zur Geltung?
Ist es angeraten, Jugendparlamente nach dem Vorbild erwachsenenorientierter Strukturen arbeiten zu lassen, angesichts der Ergebnisse von Jugendstudien, aus denen das Bedürfnis nach anderen Formen der Beteiligung hervorgeht? Wären nicht projektorientierte Formen der Partizipation besser geeignet, Politik-/Politiker*innen-Verdrossenheit abzubauen?
(In Projekten treffen sich Kinder und Jugendliche für einen begrenzten Zeitraum, um ein bestimmtes Vorhaben, z. B. eine Spielplatzneugestaltung durchzuführen)
Sportjugendvertreter/innen und Sportjugendliche vor Ort müssen prüfen, ob sie sich in Kinder- und Jugendparlamenten engagieren wollen, welche Chancen, aber auch welche Grenzen und Probleme eine solche Mitarbeit aufzeigt.
Zusammenarbeit mit anderen Jugendverbänden
Jugendverbände sollten sich als Partner verstehen. Sie haben entsprechend ihrer Verbandsziele unterschiedliche inhaltliche Ausrichtungen, so hat die Arbeit der Jugendfeuerwehr auf den ersten Blick nur wenig mit der sportlichen Jugendarbeit im Sportverein zu tun. Bei genauerem Hinschauen wird deutlich, dass nur das "Medium" anders gewählt wird, die Arbeit mit den jungen Menschen aber nach den gleichen Prinzipien verläuft. Alle Jugendverbände haben das Ziel, die jungen Menschen für das eigene Verbandsthema zu begeistern, und angesichts des gewünschten Wertepluralismus in unserer Gesellschaft können keine Verbände als wertvoller als andere betrachtet werden. Wenn es dennoch Auseinandersetzungen und Konflikte zwischen den Jugendverbänden gibt, dann als Kampf um die weniger werdenden finanziellen Mittel. Jugendfördermittel sind begrenzt, alle Verbände klagen über zu wenig Geld. Die knappen Ressourcen müssen in Jugendhilfeausschüssen oder Jugendringen verteilt werden, jeder Verband hätte gern mehr staatliche Unterstützung für die eigene Arbeit.
Jugendverbände schließen sich in Jugendringen zusammen, auf jeweiliger Ebene im Bundesjugendring, Landes- oder Stadtjugendring.
Es sind solche Verbände zusammengeschlossen, die entweder ein besonderes Fach besetzen (Feuerwehrjugend, DRK-Jugend), gewerkschaftliche oder politische Ziele haben (DGB-Jugend, Sozialistische Jugend "Die Falken"), eher Freizeitverbände wie die Wanderjugend oder die Naturfreundejugend sind oder als weltanschauliche Verbände auftreten (Bund der Deutschen Katholischen Jugend).
Als Arbeitsgemeinschaften oder besser noch als rechtsfähige Vereine organisiert können die Jugendringe einen großen Einfluss auf die Jugendpolitik ausüben und sind in der Gruppe stärker, als wenn jeder einzelne Verband für sich allein agiert.
Vorhaben zur Verbesserung der Lebensbedingungen von Kindern und Jugendlichen
Sportjugenden auf allen Ebenen sind aufgefordert, als Interessenvertreter der Kinder mit Jugendlichen sich für die Verbesserung der Lebensbedingungen einzusetzen.
Die folgenden Beispiele sind zur Nachahmung empfohlen:
Jugendarbeitslosigkeit - Kampagne: Bündnis für Lehrstellen
Jugendliche, die nach der Schulentlassung keine Ausbildungsstelle finden, starten sozusagen mit einem "Fehlstart" in das Berufsleben. Sie sind darauf angewiesen, berufsvorbereitende Maßnahmen zu besuchen oder sie suchen sich Jobs um Geld zu verdienen. Manchmal "hängen" sie auch einfach nur ziellos herum. Die Aussicht auf einen Verdienst, der es ihnen ermöglicht, sich Wünsche zu erfüllen und am gängigen Freizeitverhalten der Gleichaltrigen teilzunehmen, ist eingeschränkt. Und die Ausbildung von "Sekundärtugenden" wie regelmäßiges Aufstehen, Pünktlichkeit, zuverlässiges Engagement u.s.w. wird erschwert.
Daher ist es so wichtig, im Sinne der Interessenvertretungen von jungen Menschen an der Verbesserung der Rahmenbedingungen für Arbeit und Ausbildung mitzuwirken. Wenig geholfen ist den Jugendlichen, wenn die Jugendverbände die Situation beklagen und lediglich Forderungen stellen. Daher kann eine Sportjugend besser konkrete Maßnahmen angehen, z.B. in Kooperation mit anderen Trägern der Jugendhilfe, Parteien, der Arbeitsverwaltung, Gewerkschaften selbst Ausbildungsplätze einrichten oder Firmen finden, die zusätzliche Ausbildungsplätze schaffen.
Sinnvollerweise beginnen die Sportjugenden damit bei sich selbst:
Der Sport muss die Möglichkeit ausschöpfen, für seine Jugendlichen Arbeitsplätze zu finden/zu schaffen.
Die Realität zur Zeit ist, dass zwar Arbeits- und Ausbildungsmöglichkeiten vorhanden sind, z.B. Zivildienststellen, freiwilliges soziales/ökologsiches Jahr oder berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen angeboten werden ("Zeig uns dein Profil").
Zielperspektive muss es aber sein, feste Ausbildungs- und Arbeitsstellen innerhalb der Sportorganisationen und Sportvereine zu schaffen.
Und es muss noch stärker darauf hingewirkt werden, dass Vereinsmitglieder in den Betrieben und Institutionen, in denen sie einen festen Arbeitsplatz haben, Kontakte zu Firmenleitungen und Personalchefs knüpfen, um diese zu motivieren, zusätzliche Ausbildungsplätze z.B. für die unversorgten Jugendlichen der eigenen DLRG-Ortsgruppe zu schaffen. So unrealistisch sich das auch anhören mag, so darf doch keine Idee unversucht bleiben. Schließlich machen auch Politiker/innen zu Beginn eines neuen Ausbildungsjahres Touren zu Firmen, um zusätzliche Plätze zu finden. Nicht zuletzt kann den Firmen ein Imagegewinn entstehen, wenn die Firmenchefin im Gruppenbild mit Vereinsvorstand und zwei Jugendlichen in der örtlichen Presse zu sehen ist. Manchmal fehlt einfach die Initiative.
Neben solchen Maßnahmen könnte Sportjugend auch auf kommunaler Ebene öffentlichkeitswirksam aktiv werden:
(klar, dass die gemeinsame Aktion mehrerer Jugendverbände erfolgversprechender sind.)
"Ausbildungsplätze schaffen" - Die Jugendverbände und Institutionen streben eine langfristige Verbesserung der Situation von Jugendlichen auf dem Arbeitsmarkt an. Die folgenden konkreten Maßnahmen sind vorstellbar:
Die 14-16jährigen Mädchen der Turngruppe besuchen gemeinsam mit ihrer Übungsleiterin eine Berufsberaterin, um sich über die Perspektiven von Mädchen und jungen Frauen bei der Berufswahl zu informieren.
Im Rahmen einer Jugendbildungsmaßnahme wird ein Bewerbungstraining durchgeführt.
Die DGB-Jugend lädt Vertreter*innen der örtlichen Wirtschaft und Politik zu einem "Jugendtalk" ein, bei dem die Jugendlichen des Stadtteils ihre Erwartungen und Probleme den anwesenden Entscheidungsträgern vortragen können.
Lehrstellenbörse: Die Jugendverbände initiieren einen Wettbewerb, um kurz vor Beginn des neuen Ausbildungsjahrs die Unternehmen zu motivieren, noch zusätzliche Lehrstellenangebote zu schaffen (z.B. könnte ein/e prominenter Sportler/in gewonnen werden, der*die Schirmherrschaft übernimmt).
Ein in der Region bekannter Sponsor einer Fußballmannschaft könnte z. B. im Rahmen eines Benefizspiels einen Fond oder eine Stiftung ins Leben rufen, mit deren Hilfe überbetriebliche Ausbildungsplätze geschaffen werden.
Die örtlichen Jungendverbände organisieren eine Demonstration anläßlich eines Kongresses des Industrie- und Handelstages.
Bei all diesen Initiativen ist zu beachten, dass zumindest kleine Erfolge zu erwarten sein müssen. Ein Engagement, das von vornherein zum Misserfolg verurteilt wäre, könnte die gerade entfaltete Energie der aktivierten Jugendlichen "verpuffen" lassen.
Gewalt gegen Flüchtlinge - Mahnwachen vor Flüchtlingswohnheimen
Bei solchen Aktionen, die gesellschaftlich brisante Probleme angehen, muss nicht die politisch hintergründige Analyse in der Öffentlichkeit vermittelt werden. Die Sportjugend vor Ort ist vermutlich überfordert, die exakten Zusammenhänge von Fluchtursachen, Asylrecht und Hintergründe von Rassismus herzustellen. Als Antriebe für Aktionsformen, die sich auch ausdrücklich nicht in parteipolitische Auseinandersetzungen hineinziehen lassen wollen, reichen ethisch-moralische Argumente völlig aus: die Sportjugendlichen zeigen durch die Mahnwache, dass es universell gültige Menschenrechte gibt, für die sie eintreten. Sie symbolisieren, dass Gewalt niemals Mittel der Konfliktlösung sein darf. Und durch ihr engagiertes Verhalten, dass nächtelange Sitzen vor einem Asylbewerber*innen-Wohnheim zeigen sie auf, dass Menschen unterschiedliche Meinungen zu aktuellen Fragen haben und dass Zivilcourage weiter verbreitet ist als gemeinhin angenommen wird.
Hier noch Beispiele für Projekte zur aktiven Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus, die von Jugendvorständen initiiert, geplant und durchgeführt werden können.
Die Sportjugend eines Stadt- oder Gemeindesportverbandes/-bundes, aber auch die vor Ort tätige Fachverbandsjugend, kann zum Beispiel anregen, eine Projektwoche "Zusammenleben in unserem Stadtteil" durchzuführen und selbst die Federführung zu übernehmen. Eine ganze Woche lang würde dann von Schulen, Jugendfreizeiteinrichtungen, anderen Trägern der Jugendhilfe und auch den Wohlfahrtsverbänden dieses Thema mit unterschiedlichen Inhalten und Aktionsformen umgesetzt.
Mögliche Inhalte und Aktionsformen sind:
Lebensbedingungen von Asylbewerber*innen in ihren Heimatländem - In Absprache mit der jeweiligen Heimleitung könnte ein Besuch in einem Wohnheim durchgeführt werden und dabei im Gespräch Einblicke in Fluchtursachen gewonnen werden.
Geschichtswerkstatt: Die Stadt, der Sportverein in der Zeit des Nationalsozialismus - Material aus Archiven wird gesichtet, Zeitzeugen werden befragt und die Erkenntnisse werden in einer Ausstellung dokumentiert.
Stadtspiel - Befragungs- und Beobachtungsaufgaben in der Ausländerbehörde, bei Amnesty International oder bei dem Besuch einer Moschee.
Multikultureller Tag: Landestypische Speisen und Getränke, Tänze, Foto-Ausstellung, Lesungen. - Es kommt darauf an, dass sich alle im Stadtteil befindlichen Kulturen in einer Art präsentieren können, wie es ihnen angemessen erscheint. Ziel sollte es sein, unterschiedliche Kulturen jenseits bekannter Klischees kennenzulernen.
Fußballturnier zwischen unterschiedlichen Jugendgruppen - Hier ist darauf zu achten, dass der Wettkampf nicht seinerseits dazu beiträgt, zusätzliche Aggressionen aufzubauen. Beispiele aus der Vergangenheit haben leider häufig gezeigt, dass der sportliche Wettstreit z.B. zwischen "rechten" und "linken" Jugendcliquen gewalttätig geführt wurde.
Mahnwachen - Die in der Stadtteilgeschichte bedeutsamen Orte z.B. das Geburtshaus eines*einer Widerstandskämpfer*in, der Platz, an dem ein Übergriff rechter Gewalttäter gegen ein*e Ausländer*in stattgefunden hat, werden von sich abwechselnden Jugendgruppen mit Plakaten gestaltet und betreut, um sie so der Bevölkerung ins Bewußtsein zu bringen.
Sportarten aus aller Welt - Ein Spiel- und Sportfest wird durchgeführt, in dem die Besucher*innen an in unserer Kultur eher unbekannte Bewegungs- und Spielformen herangeführt werden.
Einwohner*innen ausländischer Partnerstädte einladen - Partnerstädte und -Gemeinden bieten über Kontakte die Möglichkeit, die andere und die eigene Stadt auf einer persönlichen Ebene kennenzulernen. Konkrete Kontakte mit Gastfamilien ermöglichen es, jenseits offizieller Verlautbarungen Informationen auszutauschen und gemeinsam Erfahrungen zu machen. Jede dieser beschriebenen Aktionsformen kann natürlich auch unabhängig von Projektwochen durchgeführt werden,
Falls angestrebt wird, engen Kontakt mit einem Flüchtlingswohnheim aufzunehmen, können folgende Schritte gegangen werden:
Vereinsjugendausschuss und -vorstand entscheiden, dass ein soziales Engagement notwendig und wünschenswert ist und legen z.B. fest, mit einem Übergangsheim für Aussiedler*innen oder Asylbewerber*innen zusammenzuarbeiten.
Mindestens zwei engagierte und qualifizierte Übungsleiter/innen oder Jugendleiter/innen oder Jugendvorstandsmitglieder erklären sich bereit, in diesem Feld aktiv zu werden.
Eine Arbeitsgruppe erstellt ein Konzept, das parallel mit der Heimleitung (unter dem Vorbehalt, dass im Verein noch eine Zustimmungsphase notwendig ist) und im geeigneten Rahmen mit den Vereinsmitgliedern (z.B. auf einer Mitgliederversammlung) besprochen werden muss.
In enger Kooperation zwischen Vorstand, ÜL und Heimleitung wird eine Auftaktveranstaltung geplant, die in der Öffentlichkeit der Stadt/der Gemeinde verankert werden muss (z.B. auf dem Marktplatz).
Gleichzeitig wird ein Konzept entwickelt, auf welche Weise regelmäßige Angebote für die Flüchtlingskinder und -jugendlichen umgesetzt und wann und wie kulturgemischte Gruppen aufgebaut werden können. «
(aus: Sportjugend NRW [Hrsg.]: Jugendarbeit im Sport, Bd. 3.4, Duisburg 1998, 3.4 - Seite 12f.)
Natur- und Umweltzerstörung:
Partnerschaftssysteme, Verantwortung für Seeufer übernehmen
In diesem Problemfeld sind besonders solche Maßnahmen geeignet, in denen praktisches Handeln gemeinsam mit Jugendlichen möglich wird. Konkrete Maßnahmen, die Erfolge sichtbar werden lassen können, verbinden die Verbesserung der natürlichen Lebensgrundlagen mit Ansätzen ökologischer Bildung und haben somit langfristig positive Effekte. Der Wassersportverein, der eine Patenschaft für einen See übernimmt, handelt vorausschauend und vorbildlich. Allerdings sollte darauf geachtet werden, dass die gute Absicht mit Fachkompetenz verbunden wird. Müllsammeln im Schilf während der Brutzeit ist ein Beispiel, in dem ein guter Wille mehr negative als positive Auswirkungen mit sich bringt.
Fehlende Spiel- und Bewegungsflächen:
Aktionstage, Bewegung, Spiel und Sport auf Straßen und Plätzen
Wann immer Kinder in einem Stadtteil oder in einer Region einen Mangel an Spiel- oder Bewegungsmöglichkeiten vorfinden, muss es das Anliegen der Sportjugend vor Ort sein, dieses Defizit in der breiten Bevölkerung bewußt zu machen. Geeignet sind dafür Maßnahmen, die einen direkten Bezug zur bestehenden Problematik herstellen können. Oft stehen dabei die Interessengegensätze zwischen Straßenverkehr und Spielflächen im Mittelpunkt. Der Bevölkerung anschaulich vor Augen zu führen, welche Lebensqualität ein autofreier Parkplatz bietet, der von den Skatern der Stadt genutzt werden kann oder die für den Verkehr gesperrten Straße, auf der dann Kinder nach Belieben toben und Spaß haben können, kann eines der Ziele solcher Aktionstage sein.
Fehlende öffentliche Nahverkehrsverbindungen - Demonstration und Kundgebung vor dem Rathaus und dem Busdepot der Stadtwerke
Häufig sind schwere Verkehrsunfälle mit Beteiligung junger erwachsener Autofahrer*innen am Wochenende Auslöser für Initiativen zur Verbesserung der Situation des öffentlichen Personennahverkehrs. Busse und Bahnen fahren regelmäßig in Zeiten des Berufsverkehrs, wer aber abends oder am Wochenende aus dem ländlichen Raum in die Kreisstadt fahren will, findet häufig schlechte Bedingungen vor. In vielen Regionen hat sich die Situation in den vergangenen Jahren deutlich verbessert, aber noch immer gibt es Gegenden, wo es ohne Privat-PKW schwer oder unmöglich ist, in die Stadt und zurück zu kommen. Jugendliche suchen gerade am Wochenende Räume, wo was los ist und nehmen aus der Not heraus auch Situationen in Kauf, die gefährlich sind. Sie fahren per Anhalter oder mit dem Fahrrad oder setzen sich in ein Auto, dessen Fahrer/in offensichtlich Alkohol getrunken hat.
Dieses Problem, das sogar Unfälle mit Todesfolge beinhaltet, erscheint so gravierend, dass eine Demonstration mit Kundgebung in der Kreisstadt angeraten sein kann. Die politisch Verantwortlichen müssen den Handlungsbedarf erkennen und kreative Lösungen entwickeln.
Vielleicht kann sogar der Sportverein seinen Transporter in ein Bürgerbus-System einbringen, wenn die Kommune Nutzungsentgeld und Versicherungskosten übernimmt. Vereinsjugend- und Übungsleiter/innen sind vielleicht selbst bereit, einmal im Quartal als Fahrer*in ehrenamtlich in dieser Initiative mitzuwirken.
Drohende Schließung des Jugendfreizeitheimes:
Info-Stand in der Fußgängerzone über Situationen des Jugendfreizeitheimes
Das Jugendfreizeitheim wird zwar nicht in erster Linie von Sportlern genutzt, aber für Versammlungen, Sitzungen und bei besonderen Veranstaltungen steht es den Vereinen sehr wohl zur Verfügung. Manchmal arbeiten die Vereine mit den Mitarbeiter*innen des Jugendfreizeitheimes beim Sommerfest zusammen oder sie bereichern das reguläre Programmangebot mit Sportschnupperkursen. Und in jedem Fall sind Träger der öffentlichen und freien Jugendhilfe Partner bei der Erfüllung der Aufgaben der Jugendarbeit, so dass es eine Selbstverständlichkeit ist, dass sich auch die Sportjugend solidarisch einbringt und gemäß ihrem Anteil an der Arbeit des Jugendfreizeitheimes den Informationsstand mitbetreut. Gemeinsames Ziel ist es, für die Kinder und Jugendlichen der Kommune vielfältige und ausreichende Freizeitangebote zu schaffen und zu erhalten. Ein Info-Stand wird Materialien zur Selbstdarstellung und Programmhefte bereithalten, Ergebnisse der Arbeit (vielleicht aus der Theatergruppe oder Musikgruppe) präsentieren und kleine Mitmach-Aktionen initiieren. Die Betreuer*innen des Standes werden mit den Passanten/innen das Gespräch suchen und die Situation schildern und die Öffentlichkeit für das eigene Anliegen sensibiliseren.
Hier finden Sie Broschüren, Infopapiere und andere Informationen.
Wie funktioniert die Sportförderung in Deutschland?
Eine kleine Link-Übersicht für Sportinteressierte